Fachkräfte

Trans* in der Kinder- und Jugendhilfe

Die Verfügbarkeit inklusiver sowie spezifischer Angebote in der Jugendhilfe ist ausbaufähig. Jedoch besteht dazu eine gesetzliche Verpflichtung. Denn gemäß § 9 des Sozialgesetzbuches sind „die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen, Jungen sowie transidenten, nichtbinären und intergeschlechtlichen jungen Menschen zu berücksichtigen, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern.“1

Als Mitarbeitende können Sie hier für junge trans* und nicht-binäre Menschen viel bewirken. Wo immer und wann möglich, sollten die Bedürfnisse von trans* und nicht-binären Kindern und Jugendlichen bereits bei der Planung eines Angebots mitbedacht werden. 

Sofern dies nicht (mehr) möglich ist, sollte ein Prozess der Sensibilisierung nicht auf dem Rücken der ersten geouteten trans* oder nicht-binären Person ausgetragen werden. Vielmehr liegt es an Einrichtungen und Trägern der Jugendhilfe, sich aktiv mit geschlechtlicher Vielfalt auseinanderzusetzen. Vielleicht gibt es in einer Ihrer Gruppen bereits eine trans* oder nicht-binäre Person, deren äußeres Coming-out noch bevorsteht.

Wo fange ich an?

Ein guter Ausgangspunkt kann die Auseinandersetzung mit folgenden Grundsätzen sein:

  • Trans* und nicht-binäre Personen sind allgegenwärtig, auch wenn sie nicht immer sichtbar sind. Trans* ist kein exotisches Sonderthema, das es abzuhaken gilt. Vielmehr sollte die Realität von trans* und nicht-binären Menschen in jeder Situation gleichwertig mitgedacht werden.
  • Akzeptanz gegenüber der Vielfalt von Geschlecht und Identität sollte ein zentraler Punkt der eigenen pädagogischen Haltung sein. Dies hat nicht nur mit gutem Willen zu tun: Ein Prozess, in dem Kompetenzen zu trans* Themen erlernt werden, ist notwendig.
  • Das Aufbrechen von Stereotypen kommt allen Kindern und Jugendlichen zugute. Ein nicht-binäres Denken und das Hinterfragen hetero- und cis-normativer Denkstrukturen können helfen, gewohnte Vorstellungen von Geschlecht und Sexualität und das eigene Verhalten zu hinterfragen. Dies eröffnet Entwicklungsspielräume für alle Kinder und Jugendlichen und ermöglicht es, Respekt füreinander zu entwickeln.

Fragen zu Beginn

Wenn Sie Ihre Einrichtung trans*sensibler gestalten möchten, können zudem folgende Überlegungen hilfreich sein: 

  • Wie inklusiv ist unser Angebot wirklich? 
  • Was fällt mir auf, wenn ich unsere Einrichtung aus den Augen einer ungeouteten neuen Bewohner*in begehe? Woher weiß die Person, mit wem sie über das Thema sprechen kann? Was für Dekoration und Material ist in unserer Einrichtung vorhanden?
  • Wie sprechen wir? Können bestimmte Formulierungen vermieden oder inklusiver gestaltet werden? Wo und wie lässt sich eine gendersensible Sprache in der alltäglichen Kommunikation anwenden?
  • Wie kann ich meine Solidarität zeigen und deutlich machen, dass ich queeren Themen gegenüber aufgeschlossen bin?
  • Wer macht noch mit? Kann ich Kolleg*innen einbeziehen? 
  • Hätten wir die nötige Kompetenz, eine queere Wohngruppe zu gründen? Welche Anforderungen und Präferenzen junger trans* und nicht-binärer Menschen gilt es bei der Gründung eines solchen Angebotes zu achten? 
  • Wie bilde ich mich weiter? Welche externen Fachstellen zum Thema trans* und nicht-binär könnte ich aufsuchen? 
  • Wo bekomme ich weitere Unterstützung? Wohin kann ich Kinder und Jugendliche bei Beratungsbedarf zur eigenen Geschlechtlichkeit verweisen? Gibt es queere oder trans* Beratungsangebote in meiner Nähe? 

Einrichtungen und Angebote trans*sensibel gestalten

Angebote der Kinder- und Jugendhilfe sollen Schutzräume sein. Daher ist es von großer Bedeutung, dass auch trans* und nicht-binäre Personen dort vor Diskriminierung sicher sind. Sie sollten sich wie alle jungen Menschen in sämtlichen Lebensbereichen frei entwickeln können. 

  • Jede Person sollte mit dem Namen und den Pronomen angesprochen werden, den bzw. die sie für sich bevorzugt. Manche Menschen verwenden für sich auch gar keine Pronomen. Durch die eigene Vorstellung mit Pronomen kann ich unaufdringlich signalisieren, dass mir bewusst ist, dass sich weder die gewünschte Ansprache noch die Geschlechtsidentität an dem Namen, oder äußerlichen Merkmalen eines Menschen ablesen lassen. Zusätzlich gibt es einen Anlass Bewohner*innen zu dem Thema zu informieren.
  • Weder trans* noch nicht-binäre Personen dürfen gegen ihren Willen und/ oder ohne ihr Wissen von anderen geoutet werden. Die selbstbestimmte Planung eines eigenen Coming-outs ist etwas, das für einen positiven Verlauf zentral ist.
  • Bei der Planung der Räumlichkeiten sollten die Bedürfnisse von trans* und nicht-binären Personen umfassend mitgedacht werden zum Beispiel in Bezug auf Toiletten, Badbereiche und die Möglichkeiten der Raumzuteilungen.
  • In bereits bestehenden Einrichtungen sollten Unisex-Toiletten und/ oder separate Umkleiden kurzfristig umsetzbar sein.
  • Inklusion und Diversität sollte sich bereits bei den Mitarbeitenden zeigen: Um Kindern und Jugendlichen einen selbstverständlichen Kontakt mit älteren queeren und trans* Menschen zu ermöglichen, die auch eine Art Rollenmodel für sie sein können, müssen zukünftig auch mehr queere, trans* und nicht-binäre Fachkräfte eingestellt werden. 
  • Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei Mobbing, verbaler oder körperlicher Gewalt sollten zum Konzept jedes Angebotes dazugehören. Gleiches gilt für ein sexualpädagogisches Konzept und Schutzkonzepte, welche die Bedürfnisse von queeren, trans* und nicht-binären Jugendlichen einschließen.
  • Dokumente, Arbeits- und Infomaterial können durch die Verwendung von gendergerechter, nicht-binärer Sprache inklusiver gestaltet werden. So kann eine trans*freundliche Haltung einfach nach außen transportiert werden. 
  • In den Konzepten von Einrichtungen und Organisationen sollte ein inklusives Leitbild festgelegt werden, auf das sich trans* und nicht-binäre Kinder und Jugendliche sowie Mitarbeitende berufen können.
  • Zeigen Sie sich, sofern es Ihre persönliche Situation erlaubt, offen solidarisch: Legen Sie Flyer für queer- oder trans*freundliche Angebote aus. Sie können auch einen Anstecker tragen der einen unterstützenden Slogan oder Ähnliches zeigt. 

Erweitern Sie Ihr Netzwerk

  • Informieren Sie sich über andere Einrichtungen, die trans*spezifische Angebote haben und tauschen Sie sich mit diesen aus. 
  • Kontaktieren Sie Trans* Beratungsstellen, wenn Sie bei der Arbeit mit trans* und nicht-binären Kindern und Jugendlichen an die eigenen Grenzen stoßen. 
  • Informieren Sie sich über queere, nicht-binäre und trans*spezifische Jugendangebote in der Nähe und regen Sie eine Kooperation mit diesen an.
  • Vernetzen Sie sich mit Therapeut*innen und anderen Mitarbeitenden im Medizin- und Gesundheitswesen, die für queere und trans*Themen sensibilisiert sind. So können Sie junge trans* und nicht-binäre Menschen bei einer medizinischen Transition besser begleiten, wenn diese sich solch eine Unterstützung wünschen. Außerdem kann auch die gesundheitliche Regelversorgung dadurch zukünftig diskriminierungsärmer werden.

Bei Outing- und Transitionsprozessen unterstützen

  • Wenn eine junge trans* oder nicht-binäre Person sich vor Ihnen outet, ist das ein großer Vertrauensbeweis. Seien Sie wertschätzend und geben Sie der Person Sicherheit. Machen Sie deutlich, dass Sie keine Informationen ohne explizites Einverständnis an Dritte weitergeben werden.
  • Versuchen Sie, einen geschützten Raum zu bieten, wo sich junge Menschen altersgerecht ausprobieren und selbst kennenlernen dürfen. Das schließt auch die geschlechtliche und sexuelle Identität mit ein.
  • Reflektieren Sie Ihre eigenen Vorurteile und Einstellungen, ohne junge trans* und nicht-binäre Personen damit zusätzlich zu belasten.

    → Eine Trans*freundliche Haltung entwickeln
    → Das eigene Geschlecht reflektieren
  • Recherchieren Sie gemeinsam, wo junge trans* und nicht-binäre Personen Hilfe und Unterstützung bei rechtlichen oder medizinischen Fragen bekommen. Ermutigen Sie dazu, auch in Zukunft für sich selbst und die eigenen Rechte einzustehen.